Familiengerichte:  „Spielcasino“ oder „Rechtsfreier Raum“?

Bericht „Erhebung Kindschaftsrecht“ am Beispiel Familiengericht Braunschweig

Vier Verbände haben im Rahmen einer Erhebung die Arbeit eines Familiengerichtes und eines Jugendamtes samt weiterer professionell Beteiligter genauer unter die Lupe genommen. „Wenn in fortgeschrittenen Verfahren per System bei mehr als 70% der betroffenen Kinder mindestens therapeutischer Bedarf festgestellt und gut ein Drittel der Kinder bereits in Therapie sind, dann läuft in Familiengerichten und Jugendämtern eine ganze Menge schief. Dann ist das System dysfunktional“, résumiert Ulf Hofes vom Verband für Getrennterziehen „Papa Mama Auch“ die Ergebnisse zusammen, die stellvertretend für ganz Deutschland am Standort Braunschweig ermittelt wurden. 

Beispiel Familiengericht Braunschweig - Jugendamt Braunschweig

Fast ein Jahr lang stand - am Beispiel der norddeutschen Stadt Braunschweig - die Frage nach der „Qualität in kindschaftsrechtlichen Verfahren“ im Blickpunkt. Die Verbände schauten auf Arbeitsweise, Beachtung von Fristen und geltenden Gesetzen, Qualität und Gründlichkeit, aber auch auf Objektivität des Systems und den Umgang mit betroffenen Eltern und Kindern. "Die hier im Erhebungsbericht für den Braunschweiger Raum dargestellten tragischen Beispiele erinnern mich an viele Fälle, die uns auch in Bayern begegnen. Leider ist in ganz Deutschland von sehr fragwürdigen bis hin zu eindeutig destruktiven Arbeitsweisen an Familiengerichten und in den Jugendämtern heutzutage noch alles vorfindbar",  bestätigt Markus Zabron vom Väternetzwerk in Nürnberg. Auch Aybike Soybaba von der Bundesinitiative Großeltern kennt diese Fälle aus anderen Familiengerichten und Jugendämtern: „Das sind keine bedauerlichen Einzelfälle. Auch die hohe Zahl an Kontaktabbrüchen betroffener Kinder zu Ihren Eltern und Großeltern sind keine Seltenheit.“. Auch Vorstandsmitglied Christoph Köpernick vom Väteraufbruch für Kinder bestätigt: „Schleppende Verfahren, Missachtung elterlicher Loyalitätspflichten und das Ausbleiben professioneller Intervention bei trennungsinduzierten Kontaktabbrüchen sind nur die Spitze der professionellen Fehlleistungen. Zwar wird immer vom Kindeswohl fabuliert, zugleich werden Kinder und auch deren Mütter und Väter in vielseitigsten Varianten fehlerhaft sich selbst überlassen oder es wird zu oft unzureichend, nicht selten eher streitverschärfend oder im Kontext sogar völlig falsch eingegriffen.“ 

Die Fälle sind einzigartig, die Fehler des Systems wiederholen sich stattdessen in den Fällen

Wenn in den Medien über fehlerhafte Verfahren berichtet wird, ist von Gerichten oder Jugendämtern oft reflexartig die Rede von „bedauerlichen Einzelfällen“. Das bestreiten die Macher der Erhebung. Die Ergebnisse würden zwar bestätigen , dass die Fälle individuell seien. Doch seien es unterschiedliche, sich zugleich ständig wiederholende Fehler in Gerichten und Jugendämtern, die zwar mit „Kindeswohl“ etikettiert seien, zugleich jedoch sehr oft eher einer eigenen Agenda folgen oder auf fehlende Qualität hinweisen. 

v.l.n.r.: Markus Zabron (Väternetzwerk), Aybike Soybaba (BIGE - Bundesinitiative Großeltern), Ulf Hofes (Papa Mama Auch), Dr. Charlotte Michel-Biegel (Papa Mama Auch), Christoph Köpernick (VAFK)
v.l.n.r.: Markus Zabron (Väternetzwerk), Aybike Soybaba (BIGE - Bundesinitiative Großeltern), Ulf Hofes (Papa Mama Auch), Dr. Charlotte Michel-Biegel (Papa Mama Auch), Christoph Köpernick (VAFK)

„Die erschreckend hohe Zahl therapiebedürftiger Kinder oder auch die hohen Kontakt-Abbruchquoten sind dramatisch. Unabhängig von diesen „Ergebnissen“ erleben Kinder von streitenden Trennungseltern oft jahrelangen Dauerstress. Die Vielfalt der Problemstellungen erfordert schnelleres Handeln und mehr Zusammenarbeit von JugendämternFamiliengerichten und Beratungsstellen, orientiert am Kindeswohl und den gesetzlichen Vorgaben“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Dr. Charlotte Michel-Biegel vom Verband für Getrennterziehen „Papa Mama Auch“ und ergänzt: „Gute Eltern versuchen auch nach Trennung, den Weg über Anwälte und Familiengerichte zu vermeiden.“

 

Ihr Verbandskollege Ulf Hofes fasst die dringendsten Forderungen zusammen: „Straffere Verfahrensführungen in jeder Lage der Verfahren, Anordnung elterlicher Wohlverhaltens- und Einigungspflichten, druckvolleres Hinwirken auf elterliches Einvernehmen, entschlossenere Intervention bei Kontaktabbrüchen, gewissenhaftere Ermittlung entscheidungserheblicher Tatsachen, Sichtbarmachung destruktiven Elternverhaltens, klarere Ausformulierung vollstreckbarer Inhalte in Beschlüssen, intensivere Ermittlungen bei Gewalt- oder Missbrauchsvorwürfen in Kombination mit Sanktionierung von Falschbeschuldigungen, die ebenso ernst genommen werden müssen.“ Einen besonderen Handlungsbedarf sieht Hofes bei der Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention, der UN Kinderrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: „In den analysierten Fällen aus Braunschweig zeigte sich eine erhebliche Ignoranz internationaler völkerrechtlicher Verpflichtungen und der Berücksichtigung von Urteilen des EGMR. Offenbar hat man auch aus Skandalen wie dem Fall Görgülü bis heute nichts gelernt oder nicht lernen wollen.“ In allen Forderungen mahnen die Verbände die Notwendigkeit von Gesetzesverschärfungen im Zuge der anstehenden Kindschaftsrechtsreformen an. Zwar stünde vieles heute schon in den Gesetzen. „Aber offenbar nicht klar und deutlich genug“, betont Hofes. 

Hier sehen Sie die Übertragung aus dem Haus der Bundespressekonferenz Berlin vom 11.10.23:

Sind Sie oder Teile Ihrer Familie selbst Betroffene im Bereich Amtsgericht / Familiengericht Braunschweig?

Nach Veröffentlichung des Berichtes am 11. Oktober 2023 melden sich bereits weitere Betroffene. Alle bisherigen Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben sich durch Zoom-Meetings, durch die Teilnahme an der Pressekonferenz in Berlin und durch persönliche Treffen untereinander bereits kennengelernt. Dieser Kreis freut sich auf Zuwachs, möchte voneinander lernen und sich untereinander austauschen.

 

Wir als Verbände werden dabei diesen Kreis begleiten, zugleich auch nach und nach den Dialog zu beiden Gerichtszügen in Braunschweig (AG/OLG) und zum Jugendamt suchen, konstruktiv Gespräche anbieten und aus der Entwicklung heraus mit Bedacht weitere Schritte abwägen. Grundsätzlich erhoffen wir uns den Diskurs und die Kooperation. Dabei wird auch weiterhin der Schutz von Betroffenen (die Anonymität) das höchste Gut sein.

In die Vorgehensweise beziehen wir unseren Teilnehmer-Kreis ein, eruieren auch Handlungsmöglichkeiten von Einzelnen. Die Gruppe wächst, hat untereinander Vertrauen aufgebaut und erkennt ebenfalls, dass Konfrontation und Eskalation mehrheitlich die jeweils letzte Option sein sollte, wenn das Angebot des Dialogs verweigert oder abgebrochen würde. 

 

Sind Sie oder Teile Ihrer Familie selbst Betroffene im Bereich Amtsgericht / Familiengericht Braunschweig?

 

Dann melden Sie sich gerne bei uns. Vertraulichkeit und Diskretion sind garantiert. Bitte beachten Sie dabei die Regeln für eine Teilnahme. Wir wissen, dass wir Betroffenen damit viel abverlangen. Zugleich ist diese Hürde notwendig, um im Sinne der Teilnehmer und auch im Sinne der betroffenen Kinder einen gleichen Einblick zu haben wie die Richterschaften und die Verfahrensbeteiligten. Sie als Beteiligte profitieren durch die objektive Einordnung von außen (die auch Ihnen gegenüber kritisch sein kann). Gegenüber Familiengericht und Jugendamt soll deutlich gespiegelt werden, dass die Bearbeitung objektiv und keinesfalls einseitig erfolgt.

 

Wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme über das Formular: