006 - Arroganz im Jugendamt

In diesem Fall ist relativ gut nachgewiesen, dass die Mutter dreier Kinder mit einem Ex-Partner zu tun hatte, bei dem Formen von Gewalt an der Mutter und einem der Kinder nachgewiesen ist.

 

Aus der Aktenlage ist eine erste Inobhutnahme von zwei Kindern zur damaligen Zeit durchaus als „Schnellschuss“ zu hinterfragen. Es hätte niedrigschwelligere Alternativen gegeben.

 

Zurecht protestiert auch die, durch die Mutter beauftragte Anwaltschaft und verweist auf

  • eine sekundäre Kindeswohlgefährdung durch die Inobhutnahme und
  • kritisiert zusätzlich, dass die Geschwisterkinder getrennt untergebracht werden, was insbesondere dem älteren der beiden Kinder schwer zusetzt.
  • Die eingesetzte Vormundschaft lässt sich darüber hinaus über Wochen nicht bei den Kindern sehen.

Im Verlauf gibt es ein gerichtliches Gutachten, in dem auch der Vater eines der Kinder kritisiert, dass das Kind, für das er auch das Sorgerecht hat, überhaupt in Obhut genommen und nicht zu ihm als Vater gebracht wurde.

 

Im Gutachten wird das Jugendamt durch den Leiter der Wohngruppe eines der Kinder massiv kritisiert.

 

So sei die Versorgung durch das Jugendamt schlecht, die Vormundschaft kennt das ihr anvertraute Kind auch nach Monaten noch nicht, die Sachbearbeiterin sei kaum bis schwer erreichbar und zu einem festlichen Anlass durften die Mutter und die Großeltern erst nach einer Intervention der Wohngruppe teilnehmen.

 

Die Mutter kritisiert ebenfalls die Unterbringungsbedingungen und die Umstände, verweist auf die Belastung der Kinder.

 

Diese Kritik wird der Mutter durch das Jugendamt fortlaufend als Kooperationsunwilligkeit und Aggression ausgelegt.

 

Damit wird denn auch begründet, dass die Kinder eben noch nicht zurückgeführt werden können, solange die Mutter in der Zusammenarbeit nicht entsprechend der Vorstellungen der Mitarbeitenden des Jugendamtes kooperiert, was nach Aktenlage eher einem jugendamtlichen

 

 „Wenn Mama denn still und artig bleibt“

 

gleicht.

 

Darüber hinaus kritisiert neben der Mutter (mit den dargestellten Folgen) auch die Sachverständige in ihrem Gutachten einen erneuten Umzug eines der Kinder und formuliert einen Therapiebedarf bei einem der Kinder. Eine sofortige Rückführung zur Mutter wird zugleich „noch“ nicht befürwortet. Es werden aber die Voraussetzungen für eine Rückführung der Kinder zur Mutter benannt und ergänzt, dass auch der Vater erziehungsgeeignet wäre; er müsse vielleicht noch „einiges dazulernen“.

 

Das wirft bei insgesamt sinnvollen Einschätzungen der Sachverständigen dennoch die kritische Frage auf, ob hier nach „perfekten Eltern“ gesucht wird und wer die Kriterien für „perfekte Elternschaft“ festlegen möchte.

 

Beide Kinder wünschen sich die Rückkehr zur Mutter. Das Jugendamt stellt aber kein verbindliches Konzept mit der Mutter zur Rückführung auf; stattdessen werden die Kinder erneut und weiter getrennt voneinander erneut an anderer Stelle fremduntergebracht. Der dritte Umzug innerhalb weniger Monate, was unter Bindungs- und Kontinuitätsaspekten für betroffene Kinder fatale Wirkung hat. 

 

Insgesamt ist nach Aktenlage und auch durch das Gutachten erkennbar, dass es Defizite bei der Mutter gibt, an denen sie arbeiten muss.

 

Ein durchdachtes Konzept, dass der Mutter Vertrauen und Sicherheit in die Arbeit des Jugendamtes als Wächteramt geben könnte, bleibt indes weiter aus.

 

Stattdessen bleibt es dabei, dass die regelmäßige Kritik der Mutter als Kooperationsverweigerung ausgelegt wird.

 

Nach Aktenlage drängt sich dabei den Autoren der Eindruck von jugendamtlicher Arroganz und Überheblichkeit auf, wo verbindliche Perspektive und vertrauensbildende Maßnahmen erforderlich wären.

 

Final geht aus den Akten nicht einmal hervor, welche - selbst nur abstrakte - Gefährdung der Kinder durch die Mutter derart vorhanden sein soll, dass die Grundrechtseingriffe gegen Mutter und Kinder gerechtfertigt wären.